Jusletter IT

26. Februar 2005

Digitale Ausgabe zum Tagungsband des 8. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2005.


Wieder einmal ist ein Jahr vergangen und wir freuen uns, das bereits 6. Jahrbuch der Rechtsinformatik, den Tagungsband des 8. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2005, präsentieren und damit unser Leitmotiv verwirklichen zu können: «Die im Informationszeitalter unentbehrlichen wissenschaftlichen und praktischen Leistungen der Rechtsinformatik sollen einem breiten Publikum in umfassender und gut lesbarer Form vorgestellt werden.»

Neben neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollen aber insb auch die praktischen Anwendungen der Rechtsinformatik und deren Problemstellungen Platz in diesem Jahrbuch finden. Ergänzend finden sich Kapitel über Rechtstheorie und Science Fiction.

Das Jahrbuch ist in 14 Themengruppen gegliedert:

  • Theorie der Rechtsinformatik
  • e-Government
  • Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken
  • e-Demokratie
  • e-Justiz
  • Rechtsinformation
  • Anwendungen
  • e-Commerce
  • Telekommunikationsrecht
  • Urheberrecht
  • e-Learning
  • Rechtstheorie
  • Visualisierung
  • Science Fiction

Noch sehr vieles ist in der Theorie der Rechtsinformatik zu tun. Das beginnt schon mit dem Konzept für das Fach und das Forschungsgebiet. Die Ansätze sind entweder wissenschaftstheoretisch (dazu der Beitrag von Herberger: Rechtsinformatik als Bindestrich-Informatik) oder sozioökonomisch (so IRIS als Konferenz: Plattform aller jener, die sich wissenschaftlich oder praktisch mit Themen der Rechtinformatik beschäftigen – bei beliebig wählbarer, aber fundierter Methodik). Weiters werden wichtige Untersuchungsgegenstände wie die Entscheidungsargumentation von Gerichten noch unzureichend verstanden, um diese auf gleich hohem Niveau zu formalisieren. Verbesserter Syllogismus oder Modellbegriff sind interessante Konzepte, aber noch ungenügend getestet und umgesetzt. Die Grenzen der Logik im Recht sind noch unzureichend erforscht. Begriffe und semantische Karten – Ontologien – dürften hier mehr Flexibilität ermöglichen und versprechen frühere Resultate und effiziente Anwendungen.

Europa hat im e-Government wesentlich aufgeholt; Österreich findet sich nunmehr in der europäischen Spitzengruppe und belegte bei einigen Rankings den 2. Platz. Einen entscheidenden Beitrag lieferte das E-Government-Gesetz, das die rechtlichen Rahmenbedingungen für Identifikation des Bürgers (Bürgerkarte und Stammzahl), elektronische Aktenführung und elektronische Bescheide sowie Zustellung geschaffen hat. Die Fülle der Register, Datenbanken und Prozesse ermöglicht und erfordert mehr Wiederverwendung von Daten sowie Kooperation der IT-Anwendungen.

Interoperabilität beschreibt diesen Trend im e-Government. Die Anwendungen werden immer perfekter, aber was bringen sie? Die Frage nach dem Nutzen für die Verwaltung sowie für den Bürger wird zunehmend Bedeutung erlangen.

Ein weiterer Trend ist Wissensmanagement. Datenbanken und Repositorien genügen nicht mehr; nur eine umfassende Organisation der Schaffung und Nutzung von Wissen genügt heutigen Ansprüchen.

Bedauerlicherweise hat die e-Demokratie in politischen Kreisen und der Bevölkerung nicht jene Akzeptanz gefunden, die sie verdienen würde. Technisch funktionieren die Systeme klaglos in kleinen Umgebungen; diese wurden aber (leider) für größere Wahlen noch nicht eingesetzt. Sicherheitsüberlegungen und (fehlende) IKT-Infrastruktur spielen eine wesentliche Rolle und sind Anlass zu weiteren Verbesserungen der Informationssicherheit. Hingegen sind die weniger schwierigen Anwendungen Information, Kommunikation und Partizipation wesentlich besser ausgebaut und werden auch vom Bürger gerne genutzt. Die E-Voting-Empfehlung des Europarates stellt einen ersten internationalen Standard für elektronische Wahlen dar.

Die österreichische Justiz hat frühzeitig und mutig auf Informations- und Kommunikationstechniken gesetzt und zählt seit langem weltweit zu den Spitzenreitern in der e-Justiz. Das europäische Mahnverfahren würde erstmals eine grenzüberschreitende Durchsetzung von Geldforderungen ermöglichen, wobei der Entwurf noch wenig auf die Erfordernisse eines elektronischen Verfahrens eingeht.

Die Rechtsinformation in Österreich hat mit dem Workflow E-Recht sowie der authentischen Verlautbarung im Internet mittels des RIS einen neuen Höhepunkt erreicht. Trotz klaglosen Betriebs bisher stellt sich die Frage des geltenden Rechts bei Ausfall des RIS: das – wie bisher in «Stücken» verlautbarte Bundesrecht (so das BKA) – oder das abrufbare Recht (so Wiederin). Nach einer Phase der Monopolisierung der kommerziellen Rechtsinformation in der Plattform RDB bricht diese auf und neue Datenbanken werden angeboten: umfassende, wie LexisNexis, Recht Online oder lexunited, und Spezialdatenbanken. Obwohl die Qualität noch verbesserbar ist, ist der Trend zur kundenorientierter Mehrwertinformation absehbar. Das RIS und die damit günstig verfügbaren öffentlichen Rechtsinformationen vermindern Markteintrittsschwelle sowie Investitionsrisiko.

Anwendungen in Staat und Recht sind Allgemeingut geworden, jedoch scheinen wissensbasierte Systeme mit Hilfe der Ontologien wieder stärker an Bedeutung zu gewinnen.

Im e-Commerce geht es nunmehr um die Rechtsfragen neuer Anwendungen wie Contentdienste oder Online- und Mobilmarketing. Rücktrittsrecht, Beweisfragen (wie jene von e-Mails) und strafrechtliche Verantwortlichkeit finden zunehmend Interesse. In der Telekommunikation sind Internettelefonie (Voice over IP) und die internettaugliche Telefonnummer (ENUM) die Herausforderung. Die weltweit erste kommerzielle ENUM-Anwendung wird seit Dezember 2004 in Österreich angeboten.

Im elektronischen Urheberrecht geht es insbesondere um folgende Themen: Schutz digitaler Musikstücke, Nutzung von GPL-Programmbibliotheken für proprietäre Software, Patentschutz für Software, Rechte an Online-Lernforen, Zitatrecht für Skripten im Internet, der Schutz von Bildern im Internet sowie Kritik am überbordenden Urheberrechtsschutz.

E-Learning ist heute eine typische Ergänzung zum Lehrangebot von Universitäten und Schulen. Der Einsatz für die Weiterbildung während der Haft zeigt die unbestrittenen Vorteile elektronischer Lehrplattformen bei distemporaler oder dislozierter Lehre. Die technisch bedingte umfassende Dokumentation der Kommunikation sollte jedoch stärker als bisher auf Datenschutz- und Sicherheitsfragen geprüft werden.

Visualisierung gehört noch zu wenig zum Standardwerkzeug der Juristen, wobei sich dies durch technische Hilfen bessert. Theoretische Reflektion wie Systematisierung oder Darstellung der semiotischen Strukturen sind aber noch ungenügend. Neuere Anwendungen bestätigen jedoch das große Potential von Visualisierungen im Recht.

Rechtstheorie und Science Fiction sind auch diesmal wieder Teil dieses Tagungsbandes und gewissermaßen Foren für Themen, die über Informations- und Kommunikationstechniken hinausgehen: Tabu, Fortschritt, Gewaltenteilung, Begründungspflicht, Zurechnung, Moral, Gedankenexperimente, Leviathan und Zeitreise.

Die wissensbasierte Gesellschaft und das Recht – eine gute Umschreibung des Zentralthemas der heutigen Rechtsinformatik – kommen langsam, stetig, aber nachhaltig. Alle Lebensbereiche nutzen die Informationstechnik, insb die Wirtschaft und auch der Staat passen ihre Prozesse an die neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechniken an und erhoffen – und erreichen – Effizienzsteigerung durch Informatisierung. Das Recht ist sowohl bei der Gestaltung der Prozesse, aber auch – und noch mehr – in der Schaffung des rechtlichen Rahmens stark gefordert. In diesem Jahrbuch soll ein umfassender Überblick zu diesen neuen Weichenstellungen angeboten werden.

Die Organisatoren der IRIS 2005 sind vielen zu Dank verpflichtet, damit diese wissenschaftliche Plattform der Rechtsinformatik in Zentraleuropa abgehalten werden kann. Unter den vielen Unterstützern sind besonders zu erwähnen: die Universitäten Salzburg (Rechtswissenschaftliche Fakultät) und Wien (Arbeitsgruppe Rechtsinformatik und WZRI Wiener Zentrum für Rechtsinformatik), die mitveranstaltenden Organisationen OCG Arbeitskreis Rechtsinformatik, GI Fachgruppe Juristische Informatiksysteme, Juristenverband, Internationale Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie und Österreichisches Rechtsinformationssystem RIS, die Programmgestalter Erich Schweighofer und Friedrich Lachmayer, das wissenschaftliche Programmkomitee, die Schwerpunktkoordinatoren der Workshops: Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken: Ralf Klischewski, Maria Wimmer, Angela Dovifat; e-Democracy: Alexander Prosser; Rechtsvisualisierung: Colette Brunschwig; Science Fiction: Peter Lechner; Urheberrecht: Walter Blocher, Andreas Wiebe; e-Commerce: Stefan Eder, Wolfgang Freund; e-Government: Erich Schweighofer; Anwendungen: Doris Liebwald; Rechtsinformation: Urs Paul Holenstein, Erich Schweighofer; Datenschutz: Dietmar Jahnel; Telekommunikationsrecht: Robert Queck; e-Learning: Thomas Menzel, Anthony Antoine; Rechtstheorie: Lothar Philipps, Friedrich Lachmayer, Günther Kreuzbauer; die Konferenzkoordinatorinnen Doris Liebwald und Sonja Janisch sowie das Organisationsteam an der Universität Salzburg unter der Leitung von Peter Mader und Dietmar Jahnel.

Den Autoren verdanken wir, dass dieses Jahrbuch erscheinen kann. Die Redaktion wurde von den Herausgebern selbst wahrgenommen; Anton Geist gebührt Dank für die akribische Endkontrolle der Beiträge.

Wien, im Mai 2005

Erich Schweighofer, Doris Liebwald, Silvia Augeneder, Thomas Menzel 

    Vorwort

  • Theorie der Rechtsinformatik









  • e-Government













  • Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken







  • e-Demokratie








  • e-Justiz


  • Rechtsinformation









  • Anwendungen




  • e-Commerce





  • Telekommunikation


  • Urheberrecht








  • e-Learning



  • Rechtstheorie










  • Visualisierung





  • Sience Fiction