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Der Wahrheitsbegriff der Rechtswissenschaften im Lichte der Philosophie

  • Authors: Werner Faßrainer / Robert Müller-Török
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Theory
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Werner Faßrainer / Robert Müller-Török, Der Wahrheitsbegriff der Rechtswissenschaften im Lichte der Philosophie, in: Jusletter IT 1 September 2010
Der Wahrheitsbegriff der Rechtswissenschaften basiert auf dem Wahrheitsbegriff des römischen Rechts und letztendlich auf dem Wahrheitsbegriff der nachsokratischen Philosophie. Er setzt, im Gegensatz zum vorsokratischen und urprünglich-griechischen Begriff der αληθεια, einen von der Erkenntnis abgeleiteten Wahrheitsbegriff – die veritas – voraus. Diese Erkenntnis entspricht dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren (Beweisaufnahme, Beweiswürdigung etc.), dessen Ergebnis als wahr angenommen wird. Insofern ist damit eine adaequatio intellectus ad rem und somit die Übereinstimmung der Vorstellung mit ihrem Gegenstand gemeint. Thomas v. Aquin verweist für diese Definition auf Avicenna, der sie seinerseits aus Isaak Israelis «Buch der Definitionen» (10. Jahrhundert) übernommen hat und gebraucht für adaequatio (Angleichung) auch die Termini correspondentia (Entsprechung) und convenientia (Übereinkunft). Der Beitrag beleuchtet den Wesenswandel des Wahrheitsbegriffes im Verlaufe der Philosophiegeschichte und stellt die Frage nach den Grenzen des in den Rechtswissenschaften angewandten Wahrheitsbegriffes. Insbesondere wird gefragt, ob ein Wahrheitsbegriff, der die Wahrheit als Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis sieht, in den Rechtswissenschaften überhaupt praktisch anwendbar wäre.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Der Wesenswandel des Wahrheitsbegriffes von den Vorsokratikern zur Neuzeit
  • 2.1. Die griechische αληθεια neben ϕυσις und λογος
  • 2.2. Der Wahrheitsbegriff bei Aristoteles
  • 2.3. Die Umdeutung der αληθεια zur veritas, der Übergang zur arabischen Philosophie und der Wahrheitsbegriff in der Scholastik
  • 2.4. Das «Einfrieren» dieses scholastischen Wahrheitsbegriffes der adaequatio durch die Philosophen der Neuzeit, v.a. Descartes, Leibniz und Kant
  • 3. Wirkung auf die Rechtspraxis
  • 3.1. Verhandlung und Urteil auf Basis eines verkürzten Wahrheitsbegriffes, der praktisch anwendbar ist
  • 3.2. Bewusste Nichtberücksichtigung komplexerer Wahrheitsbegriffe aus verfahrensökonomischer Überlegung heraus
  • 3.3. Bewusste Inkaufnahme von Fehlern wegen beschränkter technischer Möglichkeiten
  • 3.4. Nutzen: Rechtssicherheit und -ökonomie wegen dieser gewählten Vorgehensweise der Auslegung der Wahrheit und ihrer Anwendung in der Rechtspraxis
  • 4. Schlussfolgerungen
  • 5. Literatur:

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