The Next Generation

Liebe Leserinnen und Leser

IT und Recht bzw. LegalTech sind verhältnismässig junge Entwicklungen. Die Disziplin gewinnt an Relevanz, sie untersucht nicht nur juristische Probleme an der Schnittmenge von IT und Recht, sondern reflektiert auch, wie sich Technologie im Recht auswirkt. Spannend und relevant ist ein interdisziplinärer Ansatz, der das Zusammenspiel von IT, Recht, neuen Geschäfts- und Arbeitsmodellen, etc. ganzheitlich betrachtet.

Den Veränderungen, die der Einsatz von Technologie im Recht herbeiführt, soll auch auf Hochschulebene begegnet werden. LegalTech-Lehrgänge tun Not, die Studierenden – die angehendenen Juristinnen und Juristen – sollen bereits im Studium in einem technologiegetriebenen Umfeld lernen, dass «Recht» alleine in Zukunft nicht reichen wird, dass interdiszplinär, kollaborativ, interaktiv und fachübergreifend gearbeitet und beraten werden muss. 

Mit den Studierenden aus dem Lehrgang «LegalTech und seine Auswirkungen auf die Arbeitswelt» an der HSG werden erste Schritte in diese Richtung getan. Sie lernen nicht nur die Grundlagen von LegalTech kennen, sondern erarbeiten in Gruppen Projekte und stellen diese vor. Zudem erstellen sie schriftliche Arbeiten in diesem Themenfeld. Aus den ersten beiden Durchführungen des Lehrgangs sind schon mehrere spannende Projekte und Ideen hervorgegangen. Zwei davon – das Projekt «Watchchain» sowie der Subsumtionsautomat – wurden am Weblaw Forum 2019 sowie in Jusletter IT vorgestellt. Das Projekt «TrackRank» zur Überwachung der Aussenwahrnehmung von Anwaltskanzleien im Internet präsentierten die Studierenden am Weblaw Forum 2020. Erwähnenswert ist auch das Projekt justus-beratung.ch von Andreas Nef, zu welchem es auch einen Podcast gibt. Zudem ist in Jusletter IT vom 26. September 2019 ein Beitrag von Benjamin Camavdic zu Predictive Policing und in der Ausgabe vom 5. Dezember 2019 die Arbeit von Florian Furger zu Lootboxen in Videospielen erschienen.

Die vorliegende Ausgabe soll den Forder- und Fördergedanken weiter unterstützen. Publiziert werden studentische Arbeiten aus dem Frühjahrslehrgang 2020. Diese «Next Generation» setzt sich in ihren Arbeiten mit einer Reihe von Themen auseinander. Die Ideen reichen von Chatbots über automatisierte Dokumentenanalyse und verfügende Algorithmen hin zu Online Dispute Resolution oder Legal Design Thinking. Andere wiederum sind im Bereich Blockchain umtriebig. 

Mehrere Universitäten und Fachhochschulen in der Schweiz, u.a. die HSG, die ZHAW, die Kalaidos, die HWZ, die FFHS und die HSLU, haben nun LegalTech in ihre Ausbildungsprogramme integriert (siehe dazu auch unsere Liste der Ausbildungsanbieterinnen im Bereich LegalTech). Mit Jusletter IT geben wir innovativen Ideen ein Sprachrohr. Auf dass noch viele folgen mögen! Interessierte können sich gerne bei uns melden, sei es für gemeinsame Projekte oder Publikationen.

Des Weiteren beinhaltet diese Ausgabe einen Beitrag von Fabian Teichmann und Léonard Gerber, der mit seiner Frage, wie Kryptowährungen zur Finanzierung von Terrorismus eingesetzt werden können, an die Blockchain-fokussierten Beiträge dieser Ausgabe anschliesst.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre 

Franz Kummer
Gründer und CEO Weblaw AG
Lehrbeauftragter LegalTech an der Universität St. Gallen

In eigener Sache: In der Jusletter-Ausgabe vom 16. November 2020 erscheinen mehrere Beiträge zum Thema Datenschutz. Am 25. November 2020 um 10.00 Uhr findet das Webinar@Weblaw: «Das neue Datenschutzgesetz: Ausgewählte Themen für die Praxis» mit David Rosenthal und David Vasella statt. Bei Neuabschluss eines Jusletter- oder Jusletter-IT-Jahresabonnements ist die Teilnahme kostenlos. 

LegalTech
Kooperation von Legal-Tech-Unternehmen und Kanzleien
Robin Gloor
Robin Gloor
Das Geschäftsmodell der traditionellen Kanzleien wird durch veränderte Kundenbedürfnisse und technische Neuerungen vermehrt unter Druck gesetzt. Durch eine Kooperation mit Legal-Tech-Unternehmen besteht jedoch die Möglichkeit, sich im zunehmend fragmentierten Rechtsdienstleistungsmarkt neu zu positionieren. SaaS- und PaaS-Modelle können dabei als cloudbasierte Infrastruktur dienen, mit der Kanzleien externe Legal-Tech-Anwendungen in ihren Wertschöpfungsprozess implementieren.
Was Legal Bots von Bots aus anderen Branchen lernen können
Cedric Frenzer
Cedric Frenzer
Chatbots erleben derzeit in der Wirtschaft einen Boom. Trotz ihres hohen Potentials in der Rechtsbranche haben Kanzleien kaum Erfahrung mit Chatbots. Auf Basis eines Vergleichs mit Chatbots aus anderen Branchen präsentiert der Autor ein Modell für erfolgreiche Chatbots. Diese müssen einen Kunden- und einen Unternehmensvorteil generieren. Das Modell identifiziert die Erfolgsfaktoren zur Ausarbeitung eines Legal Chatbots.
Legal Bots: Ein Tool für moderne Juristinnen und Juristen?
Levi Schöb
Levi Schöb
Dieser Artikel zeigt den aktuellen Stand der Einbindung von Legal Bots in die Arbeit von Juristinnen und Juristen in der Schweiz auf. Es werden die Grundlagen von Chatbots erklärt. Mit Hilfe von konkreten Beispielen werden das Potenzial, aber auch die Gefahren von LegalTech für die juristische Arbeit beleuchtet. Der Autor fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen und gibt einen kurzen Ausblick in die zu erwartenden Entwicklungen.
Beweisrechtliche Anforderungen an verfügende Algorithmen
Lukas Walter
Lukas Walter
Durch den technologischen Fortschritt ist es möglich, dass Algorithmen automatisierte Entscheidungen treffen können. Soll ein Algorithmus über einen rechtlichen Tatbestand entscheiden bzw. eine Verfügung erlassen, ergeben sich eine Reihe rechtlicher Fragen. Dieser Beitrag widmet sich der Beziehung zwischen Algorithmus und Beweisrecht, und identifiziert beweisrechtliche Anforderungen an verfügende Algorithmen. Anhand eines Konzeptes aus der induktiven Statistik und am Beispiel der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Art. 56 KVG zeigt der Autor auf, wie ein verfügender Algorithmus auszugestalten ist, damit dieser mit dem Beweisrecht vereinbar ist.
Online-Angebote im schweizerischen Scheidungsmarkt
Manuel Schmid
Manuel Schmid
Verschiedene Online-Portale bieten im Internet Dienstleistungspakete zur effizienten Vorbereitung von Scheidungen zu niedrigen Pauschalpreisen an. Durch stetige Kostentransparenz, günstige Preise und webbasierte Kommunikation bieten sie den Kundinnen und Kunden einen Mehrwert. Modular aufgebaute Scheidungs-Pakete, einfach verständliche Vorlagen zur rechtlichen Selbsthilfe und regelbasierte Tools können dabei zu Effizienzsteigerungen in der Scheidungsvorbereitung führen. Die rechtliche Grenze einer reinen Online-Scheidung liegt jedoch darin, dass eine Scheidung in der Schweiz nach wie vor ein richterliches Urteil voraussetzt.
Legal Design Thinking
Serge von Steiger
Serge von Steiger
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem möglichen Anwendungsbereich des Methodenansatzes Legal Design Thinking. Sie erläutert Funktionsweise und Anwendungsbereich der qualifizierten elektronischen Signatur und der Videoidentifikation i.S.v. Art. 7a VZertES. Am Beispiel dieser Applikationen zeigt diese Arbeit unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie auf, wie dieser Methodenansatz vorgeht und inwiefern er für die zukünftige erfolgreiche Weiterentwicklung des Rechtsmarktes von Bedeutung ist.
Online Dispute Resolution im Versicherungsbereich
David Probst
David Probst
Während sich die Erfolgswelle des E-Commerce in steigenden Absatzzahlen widerspiegelt, hat sie auch zu einer Schwemme an Streitfällen geführt. Die deshalb von Onlinehändlern entwickelten Plattformen zur alternativen Streitbeilegung haben inzwischen auch Versicherer für sich entdeckt. Ohne effektive und kostengünstige Durchsetzungsmechanismen bleibt der gewünschte Mehrwert jedoch aus. Aus diesem Grund untersucht der vorliegende Beitrag anhand eines Geschäftsmodells die Einsatzmöglichkeiten von digitalen Streitschlichtungsverfahren unter Anbindung von Smart Contracts, damit aussergerichtliche Einigungen automatisiert vollstreckt werden können.
Information Retrieval: Automatisierte Dokumentenanalyse in M&A Due Diligence
Florian Becker
Florian Becker
Eine der zentralen Herausforderungen der Due Diligence besteht darin, dass unter hohem Zeitdruck und überwiegend manuell grosse Mengen relevanter Dokumente auf Risiken geprüft werden müssen. Insbesondere in der Legal Due Diligence scheint daher der Einsatz KI-basierter, automatisierter Prüfverfahren erfolgversprechend. Die auf Machine-Learning-Modellen basierenden Contract-Review-Systeme können Effizienz und Genauigkeit sowie den Umfang der in der finalen Risikobewertung berücksichtigten Datenmenge erhöhen. Die Softwarelösungen von Kira Systems und Leverton sind technisch fortgeschritten und werden erfolgreich in der M&A-Praxis angewandt.
Blockchain
Compliance im Zeitalter von Kryptowährungen und ICOs
Björn Wegberg
Björn Wegberg
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen der inhärent dezentralen Natur der distributed-ledger Technologie und dem Transparenzverlangen der Geldwäschereibekämpfung. In einem zweiten Schritt analysiert der Autor die Möglichkeit, mittels LegalTech Anwendungen die Automatisierungslösung goAML der MROS und die Video- und Onlineidentifizierung der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) in einer geeigneten Form zu verknüpfen, die den Bedürfnissen aller Parteien gerecht wird.
ChainLink und Smart Contracts
Luca Schmid
Luca Schmid
ChainLink ist eine Plattform, die eine Verbindung zwischen Blockchain-Technologien und der realen Welt herstellt. In dieser Arbeit wird die Technologie eines Start Ups beleuchtet, auf die sogar Google in Zukunft setzen wird. Zudem wird die Umsetzung anhand möglicher Anwendungsbeispiele im Schweizer Kaufvertragsrecht geprüft.
La surveillance informatique
Fabian Teichmann
Fabian Teichmann
Léonard Gerber
Léonard Gerber
Cette contribution illustre l’aptitude des crypto-monnaies au financement du terrorisme, après une présentation du cadre juridique suisse en matière de répression pénale, de compliance et des développements récents en matière de tokens. Les auteurs étudient parallèlement l’opportunité de l’introduction d’une nouvelle mesure de surveillance informatique pouvant contribuer à enrayer les formes modernes du financement du terrorisme.
News
Bundesrat schlägt zentrale Plattform für den elektronischen Rechtsverkehr vor
Jurius
Jurius
Der Bundesrat legt den Grundstein für den elektronischen Rechtsverkehr: Über eine hochsichere zentrale Plattform sollen die Parteien in Justizverfahren künftig digital kommunizieren. An seiner Sitzung vom 11. November 2020 hat der Bundesrat das neue Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) in die Vernehmlassung geschickt.
Förderung des Internationalen Genf und digitale Selbstbestimmung: Der Bundesrat legt die Strategie Digitalaussenpolitik 2021–2024 fest
Jurius
Jurius
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 4. November 2020 die Strategie Digitalaussenpolitik 2021–2024 verabschiedet. Die Strategie zeigt auf, wie der Bundesrat in den kommenden vier Jahren die Interessen und Werte der Schweiz auch im digitalen Raum wahren und fördern will. Schwerpunkte bilden hierbei die Stärkung der internationalen Gouvernanz- und Zusammenarbeitsforen, der digitalen Selbstbestimmung von Nutzerinnen und Nutzern, des Völkerrechts sowie die Nutzung der Digitalisierung zugunsten der Internationalen Zusammenarbeit (IZA). Dem Internationalen Genf kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, welche der Bundesrat weiter stärken will.
Neue Online-Plattform «ePortal» des EFD aufgeschaltet
Jurius
Jurius
Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) startet am 2. November 2020 die Online-Plattform «ePortal». Damit wird die Interaktion mit der Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen einfacher, effizienter und benutzerfreundlicher. Das ePortal leistet einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung der Verwaltung.