Liebe Leserinnen und Leser

Schwerpunkte in diesem Jusletter IT sind Fragen des Cloud Computing, des Urheberrechts, der Providerhaftung sowie der Rechtslogik, der Formalisierung des Rechts und der Rechtslinguistik. Das Schlagwort der «digitalen Grundrechte» ist immer öfter zu hören; wir bieten einen soliden Einstieg mit einer Analyse relevanter Rechtsprechung des EGMR sowie des EuGH. Bei den wieder zunehmend wichtigeren technischen Fragestellungen sind einerseits praktische Aspekte – Repräsentation von Rechtswissen oder fortgeschrittene Anwaltssoftware – aber andererseits auch theoretische Ansätze, wie die Berechenbarkeit von juristischen Entscheidungen bedeutsam. Als neue innovative Forschungsthemen werden vorgestellt: IT-rechtlicher Begriff der Dominanz marktbeherrschender Unternehmen sowie ein Risikobegriff automatisierter Entscheidungen.

Zwei Beiträge vertiefen die bereits erschienen Analysen zum Cloud Computing. Carmen De la Cruz – Cloud Computing. Alter Wein in neuen Schläuchen? – beschäftigt sich umfassend mit den Herausforderungen dieses Outsourcings. Zusätzlich zu den Fragen im Infrastrukturbereich stellen sich Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit, den Management-Aufgaben des Cloud Anbieters und Compliance-Themen. Rolf H. Weber und Dominic N. Staiger – Legal Challenges of Trans-border Data Flow in the Cloud (Rechtliche Herausforderungen des grenzüberschreitenden Datenflusses in der Cloud) – analyisieren die Fragen des grenzüberschreitenden Cloud Computing, insbes. des Datenschutzes.

Mit dem wichtigen Tribune de Genève-Urteil 5A_792/2011 des Schweizerischen Bundesgerichts beschäftigen sich zwei weitere Beiträge: Alexander Kernen – Volle Verantwortlichkeit des Host Providers für persönlichkeitsverletzende Handlungen seines Kunden – sowie Nik Schoch und Michael Schüepp – Provider-Haftung «de près ou de loin»? Abwehransprüche gegen Internet-Service-Provider im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht im Lichte des Urteils des Bundesgerichtes 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013. Im schweizerischen Recht gibt es keine Haftungsbegünstigung für Internet Service Provider, was zu einem Handelsbedarf des Gesetzgebers führt.

Mariagrazia Rizzi und Georg Jakob – Von den Ursprüngen zur Gegenwart des Urheberrechts: Malerei – bringen einen historischen Abriss des Urheberrechts am Beispiel der Malerei.

Rolf H. Weber und Ulrike I. Heinrich – Zur Grundrechtsgüterabwägung bei der Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Internetkontext anhand der europäischen Rechtsprechung – widmen sich den digitalen Grundrechten und befassen sich eingehend mit der Judikatur des EGMR und des EuGH zum Datenschutzrecht, Urheberrecht und zu den Pflichten der Internet Service Provider.

Aleksander Wiatrowski möchte in seinem Dissertationsprojekt «Abuses of Dominant Companies in the Area of Data Protection and Data Security» einen neuen Begriff der «Dominanz von marktbeherrschenden Unternehmen» entwickeln und stellt in einem kurzen Beitrag das Projekt vor: The «Dominance» in Abuses of Dominant Companies (Die «Dominanz» im Missbrauch von marktbeherrschenden Unternehmen).

Die Rechtslogik wie auch die Anwendung mathematischer Methoden im Recht bleiben ein wichtiges Forschungsthema. Rainhard Z. Bengez arbeitet an einem Konzept der Berechenbarkeit von juristischen Entscheidungen im Kontext der Rechtstheorie und Rechtsinformatik. Er wird dieses Konzept in einer Reihe von Beiträgen vorstellen; in diesem Jusletter IT ist die Einführung zu finden: Gedanken zu einer Erweiterung der Logischen Rechtslehre zu einer Computable Legal Justification Theory. Thomas Preiß – Die Entwicklung eines Risikobegriffs zur Anwendung auf den Einsatz automatisierter Systeme im Sinne des § 49a VStG – entwickelt eine Methode zur Messung des Risikos von automatisierten Verwaltungsverfahren. Es bedarf natürlich noch wesentlich mehr Anstrengungen, damit diese Methoden sich zum praktischen Einsatz eignen.

Fritjof Haft – IT-Unterstützung in kontradiktorischen Gerichtsverfahren – das Projekt «Gaius» – zeigt die innovativen Möglichkeiten der Rechtsinformatik auf, kontradiktorische Verfahren (insbesondere Zivilprozesse und Verwaltungsgerichtsverfahren) effizienter zu gestalten.

Die zunehmende Bedeutung der Rechtslinguistik zeigt der Beitrag von Günther Schefbeck, Tanja Wissik, Elena Chiocchetti und Michael Wetzel: Europäische Rechtssprache(n) und Pflege von mehrsprachigen terminologischen Ressourcen.

Simon Schlauri – Die Notifizierbarkeit der SuisseID gemäss dem EU-Verordnungsvorschlag über elektronische Vertrauensdienste – analysiert die Möglichkeiten, die SuisseID mit dem geplanten EU-System der elektronischen Identifizierung einzubeziehen.

Dino Girardi und Monica Palmirani – Legal Issues and Economic Exploitation of Open Government Data (Rechtsproblem und wirtschaftliche Verwertung von Open Government Data) – geben einen Überblick über den Stand der Open Data Diskussion in der EU vor dem Hintergrund der Änderung der PSI-Richtlinie.

Zuletzt bringt Armin Horn eine Rezension des Kommentars von Bauer / Heckmann / Ruge / Schallbruch (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, gebunden, 1. Auflage 2012. Dessen Wert liegt in der umfassenden Kommentierung der rechtlichen Bestimmungen zu E-Government in Deutschland.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!

Wien/Bern, im Mai 2013

 
CLOUD COMPUTING
Cloud Computing
Carmen De la Cruz
Carmen De la Cruz
Cloud Computing ist in aller Munde: Handelt es sich um einen Marketing-Hype oder sind neue juristische Fragestellungen auszumachen? Eine Prüfung der verschiedenen Ausprägungen von Cloud Computing sowie die damit verbundenen juristischen Fragestellungen zeigen, dass zwar vieles bekannt und damit nach bestehenden Mustern behandelt werden kann. Nichtsdestotrotz ergeben sich aus dem Dienstleistungsgedanken an und für sich – aus der Weggabe der Daten hinein in die Wolke – neue Herausforderungen, die zu den bekannten Modellen hinzukommen. Einige dieser Punkte werden nachfolgend herausgegriffen und näher beleuchtet.
Legal Challenges of Trans-border Data Flow in the Cloud
Rolf H. Weber
Rolf H. Weber
Dominic N. Staiger
Dominic N. Staiger
Die starke Expansion der Cloud-Nutzung und des damit einhergehenden Anbieterzuwachses stellen die darin involvierten Parteien vor immer neue Herausforderungen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Transfer persönlicher Daten aus der EU sind Cloud Anbieter mit undurchsichtigen Datenschutzregulierungen konfrontiert. Im Folgenden werden die sich stellenden Probleme des internationalen Datentransfers in der Cloud näher analysiert.
INFORMATIONSRECHT
Volle Verantwortlichkeit des Host Providers für persönlichkeitsverletzende Handlungen seines Kunden
Alexander Kernen
Alexander Kernen
Im Urteil 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 hat sich das Bundesgericht erstmals zur Passivlegitimation eines Host Providers im Zusammenhang mit persönlichkeitsverletzenden Handlungen seines Kunden geäussert. Konkret wurde ein Blog-Hoster (jene Person, die dem Blogger die notwendige Technik zum Betrieb eines Blogs zur Verfügung stellt und den Blog auf dem eigenen Server zum Abruf bereithält) vom Verletzten auf Beseitigung und Feststellung verklagt. Stein des Anstosses waren ehrrührige Passagen im Text des Bloggers. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass das geltende Schweizer Recht keinen Spielraum für eine privilegierende Sonderbehandlung des Host Providers zulasse. Berufen sei – wenn schon – der Gesetzgeber.
Provider-Haftung «de près ou de loin»?
Nik Schoch
Nik Schoch
Michael Schüepp
Michael Schüepp
Die Autoren nehmen das – angesichts der geltenden Rechtslage nicht zu beanstandende – Urteil des Bundesgerichts zum Anlass, der Frage nachzugehen, ob die für die Online-Branche folgenschweren bundesgerichtlichen Erwägungen auch für Abwehrklagen gelten, die ihre Rechtsgrundlage nicht im Persönlichkeits-, sondern im Lauterkeits- oder im Immaterialgüterrecht haben. Sie setzen sich ausserdem mit dem gesetzgeberischen Handlungsbedarf sowie mit Möglichkeiten auseinander, um bereits de lege lata die auch vom Bundesgericht angesprochenen «graves conséquences» im Einzelfall zu verhindern.
URHEBERRECHT
Von den Ursprüngen zur Gegenwart des Urheberrechts: Malerei
Mariagrazia Rizzi
Mariagrazia Rizzi
Georg Jakob
Georg Jakob
So unproblematisch die Geschichte der Immaterialgüterrechte aus der Sicht zeitgenössischer Rechtsdogmatik manchmal scheinen mag, so umstritten ist sie in interessanten Details. So werden in regelmäßigen Abständen Arbeiten veröffentlicht, die einen rechtlichen Schutz künstlerischer Tätigkeit oder mitunter gar Ursprünge des Urheberrechts schon in der Antike suchen wollen, obwohl die Quellenlage dies, wie gezeigt werden soll, nur sehr fragil stützt. Besonderes Augenmerk soll dann der Frage geschenkt werden, wie die Malerei Eingang in die modernen urheberrechtlichen Kodifikationen fand und welche vielleicht überraschenden Probleme dies heute noch aufwirft – und wie sie gelöst werden können.
Zur Grundrechtsgüterabwägung bei der Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Internetkontext anhand der europäischen Rechtsprechung
Rolf H. Weber
Rolf H. Weber
Ulrike I. Heinrich
Ulrike I. Heinrich
Neben der Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten gewinnt das Internet insbesondere im Hinblick auf die für jedermann ohne weitere technische Kenntnisse leicht auszuführende Vervielfältigung und Verbreitung von beispielsweise Bild- und Musikdateien auch als potentieller «Tatort» für die Verletzung geistiger Schutzrechte immer mehr an Bedeutung. Um den ausreichenden Schutz der Rechteinhaber in diesem Bereich sicherzustellen, sind der Gesetzgeber und die Rechtsprechung gefordert, auf das Internet zugeschnittene Lösungen zu schaffen; die sich hierbei stellenden Fragen betreffen neben dem Verhältnis der Meinungs- und Informationsfreiheit zum Schutz des geistigen Eigentums vor allem die Klärung möglicher Pflichten der Fernmeldeanbieter, Provider und Plattformbetreiber.
DATENSCHUTZ
The «Dominance» in Abuses of Dominant Companies
Aleksander Wiatrowski
Aleksander Wiatrowski
Dominante Firmen wie Microsoft, Google, Facebook, etc. erzeugen unsichere Situationen insbesondere hinsichtlich des Missbrauchs der Datenschutz- und Datensicherheitsgesetzgebung. Es ist wichtig, den Begriff «dominant», bzw. «Dominanz» zu definieren, da sich die bestehende Definition des Wettbewerbsrechts nach Meinung des Autors nicht auf die Privatsphäre und den Datenschutz ausweiten lässt. Bis jetzt hat das Recht keine anderweitig ausreichende Möglichkeit gefunden, «Dominanz» zu beschreiben.
RECHTSINFORMATIK
Gedanken zu einer Erweiterung der Logischen Rechtslehre zu einer Computable Legal Justification Theory
Rainhard Z. Bengez
Rainhard Z. Bengez
Das Anliegen des Artikels ist es, die Grundidee einer maschinenzentrierten Sicht auf das Recht zu motivieren und solche Anteile im juristischen Arbeitsprozess zu identifizieren, die real durch eine digitale Maschine semi-autonom übernommen werden können. Ein Beispiel hierzu ist die Klassifizierung von Urteilen nach schriftlich fixierten juristischen Begründungen. Hierzu wird ein theoretisches Rahmengerüst angedacht und über dessen Möglichkeiten und Grenzen reflektiert.
Die Entwicklung eines Risikobegriffs zur Anwendung auf den Einsatz automatisierter Systeme im Sinne des §49a VSTG
Thomas Preiß
Thomas Preiß
Um einen abstrakten Maßstab zu entwickeln, an dem das Risiko einer Form von Verwaltungsverfahren zu messen ist, sind die bisher entwickelten Begriffe in diesem Sinne zu analysieren. Exemplarisch dazu werden verschiedene Ansätze herangezogen: Der dem sachlichen Zusammenhang entnommene Risikobegriff und Ansatz zur Etablierung einer rechtlichen Risikoanalyse nach Cranor, dazu in unmittelbarem Verhältnis stehend die Formulierung eines Ethikbegriffs, der im Zusammenhang mit der Rechtsfindung durch Organe des Staates im Sinne der Arbeiten von Böckenförde und Reeves anzusiedeln ist.
IT-Unterstützung in kontradiktorischen Gerichtsverfahren – das Projekt «Gaius»
Fritjof Haft
Fritjof Haft
In dem Projekt «Gaius» erforscht ein interdisziplinäres Team Wege, auf denen kontradiktorische Verfahren (insbesondere Zivilprozesse und Verwaltungsgerichtsverfahren) mit IT-Unterstützung effizienter und qualitativ besser als bislang durchgeführt werden können.
RECHTSLINGUISTIK
Europäische Rechtssprache(n) und Pflege von mehrsprachigen terminologischen Ressourcen
Günther Schefbeck
Günther Schefbeck
Tanja Wissik
Tanja Wissik
Elena Chiocchetti
Elena Chiocchetti
Michael Wetzel
Michael Wetzel
Der Beitrag zeigt die Komplexität und die besonderen Merkmale der Rechts- und Verwaltungssprache, insbesondere die Sprache der Rechtssetzung, auf. Der Schwerpunkt liegt auf mehrsprachigen terminologischen Ressourcen im Kontext der Europäischen Union. In diesem Bereich gewinnen datenbankgestützte Hilfsmittel, welche die terminologische Fülle erschließen und für die sprachliche Transformation aufbereiten sollen, immer mehr an Bedeutung. Der Beitrag zeigt auf, dass diese terminologischen Ressourcen, wenn sie eine bestimmte Größe erreichen, nicht mehr manuell gepflegt und aktualisiert werden können und dass darunter zumeist die Qualität der terminologischen Einträge leidet. Hier setzt das LISE Projekt an um durch semi-automatische Verfahren und Best Practices die Qualität in bereits bestehenden terminologischen Ressourcen zu verbessern.
E-GOVERNMENT
Die Notifizierbarkeit der SuisseID gemäss dem EU-Verordnungsvorschlag über elektronische Vertrauensdienste
Simon Schlauri
Simon Schlauri
Die EU-Kommission hat 2012 einen Vorschlag für eine Verordnung über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt zuhanden des Parlaments und des Rats verabschiedet. Nebst einer neuen Regelung der elektronischen Signatur und weiterer Vertrauensdienste enthält der Verordnungsvorschlag als neues Thema die gegenseitige Anerkennung von Identifizierungsystemen zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Der Beitrag geht der Frage nach, ob das in der Schweiz bereits bestehende Identifizierungssystem SuisseID die Voraussetzungen des Entwurfs für die zentrale Notifizierung von Identifizierungssystemen erfüllen würde, die einer solchen Anerkennung vorausgehen muss.
Legal Issues and Economic Exploitation of Open Government Data
Dino Girardi
Dino Girardi
Monica Palmirani
Monica Palmirani
Der Artikel verschafft einen Überblick über den Stand der Technik des Open Data Phänomens in der EU, fokussierend auf die rechtlichen Punkte und die geschäftliche Nutzung der PSI-Wiederverwendung. Nach einer geschichtlichen – die Strategien des EU E-Government betreffenden – Einführung, präsentiert die Analyse die Strategie der Europäischen Kommission für Europa 2020 und die Digitale Agenda für Europa. Die Nachforschung bezieht sich speziell auf Aktion 3 der ersten Säule der Digitalen Agenda für Europa: «Erschliessung der öffentlichen Datenressourcen zur Wiederverwendung». Der Artikel untersucht die Gesetzgebung im Bezug auf die Wiederverwendung von PSI zwischen de lege lata (2003, PSI Anordnung) und den gesetzlichen Erlassen, die aus de lege ferenda (2011, Open Data Package) entstanden sind, er berücksichtigt auch ungewöhnliche Probleme wie die Anonymisierung und die Deanonymisierung. Ausserdem analysiert die Studie die Geschäftsmöglichkeiten, die sich mit der Eröffnung von PSI ergeben.
Rezension: E-Government-Recht in Deutschland
Armin Horn
Armin Horn
Der Kommentar – Bauer / Heckmann / Ruge / Schallbruch (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz – bringt eine umfassende Kommentierung der verwaltungsverfahrens-rechtlichen Bestimmungen zu E-Government in Deutschland.
EDITORIAL
Editorial
Franz Kummer
Franz Kummer
Erich Schweighofer
Erich Schweighofer