Strukturen und Symbole des Rechts – Festschrift für Friedrich Lachmayer

Sehr geehrte Leserinnen und Leser

Friedrich Lachmayer, einer der bemerkenswertesten Rechtsgelehrten, die Österreich hervorgebracht hat, hat am 15. Juni 2023 sein achtes Lebensjahrzehnt vollendet. Wie kaum ein anderer hat er in seinem Leben Praxis und Theorie des Rechts miteinander vereint, indem er eine berufliche Laufbahn in der Ministerialbürokratie mit akademischer Lehrtätigkeit verbunden und in beiden Tätigkeitssphären seine reiche Erfahrung und seinen innovativen Geist wirkungsvoll eingesetzt hat. In der akademischen Sphäre ist es guter Brauch, bedeutende Gelehrte zu „runden“ Geburtstagen mit einer Festschrift zu ehren; und so ist der vorliegende Band Friedrich Lachmayer zu seinem 80. Geburtstag gewidmet.

Der Geehrte ist der österreichischen Rechtsgemeinschaft vor allem als „Vater“ des Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS) der Republik Österreich bekannt, darüber hinaus aber auch als ein äußerst vielseitiger Gelehrter, dessen Aktivitäten nicht nur die Bereiche des Verfassungsrechts, der Legistik und der Rechtstheorie/-philosophie, sondern insbesondere auch die Visualisierung und die Semiotik im rechtswissenschaftlichen, aber auch im weiteren Kontext umfassen.

Friedrich Lachmayer beschritt seinen eigenständigen intellektuellen Weg bereits während des Studiums, als er sich mit der Frage zu beschäftigen begann, wie man juristische Texte besser verstehen und sich leichter merken könnte, was ihn schließlich zu strukturellen und formalen Notationen im Vorfeld der juristischen Logik (in welcher ihn insbesondere Ota Weinberger und Ilmar Tammelo beeinflusst haben) und weiter zur Visualisierung führte. Dabei entdeckte er für sich eine Metaebene: die Semiotik – die Lehre von den Zeichen –, eine faszinierende Disziplin, die ihn seitdem nicht mehr los ließ.

Nach seiner juristischen Ausbildung war Lachmayer in der Praxis tätig, zunächst in der Finanzprokuratur, später im Verfassungsdienst, wo er 32 Jahre lang arbeitete. In dieser Funktion war er auch mit der Begutachtung von Gesetzentwürfen befasst, was eine intensive Auseinandersetzung mit Legistik und Gesetzgebungstechnik mit sich brachte. Dieser Aspekt seines Praxisbezugs fand ab 2003 seinen Widerhall in den von Friedrich Lachmayer initiierten jährlichen Legistik-Gesprächen, die zunächst in Klagenfurt stattgefunden haben und nunmehr in Linz beheimatet sind; diese Veranstaltungsreihe ermöglicht einen wertvollen Austausch innerhalb der professionellen Gemeinschaft der Legistinnen und Legisten.

Für sein rechtstheoretisches bzw. rechtsphilosophisches Denken war auch die Begegnung mit der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens prägend, wenngleich er sich später auch von dieser Lehre emanzipierte, indem er eine thematische Universalisierung in einer das Formale besonders betonenden Normentheorie anstrebte. Diese Bemühungen mündeten schließlich in seine Habilitation an der Universität Innsbruck, wo er sich auf dem Gebiet der Rechtstheorie unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebungslehre die Lehrbefugnis erwarb.

Nicht zuletzt aber entdeckte Friedrich Lachmayer die neue Welt der Informatik für sich und engagierte sich in verschiedenen EDV-Projekten, in welchen er seine theoretisch fundierte Perspektive auf die Struktur der Rechtsnormen praktisch nutzbar machen konnte. Bereits zu Beginn seiner Tätigkeit im Verfassungsdienst war er an dem damaligen EDV-Versuchsprojekt zum Verfassungsrecht beteiligt, das in Zusammenarbeit zwischen dem Bundeskanzleramt und IBM durchgeführt wurde. Aus den dabei gewonnenen grundsätzlichen Erkenntnissen entwickelte sich später das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS), das bis heute eine wesentliche Grundlage der Rechtsinformation in Österreich darstellt. Wiederum erweiterte Friedrich Lachmayer seine Perspektive auf die Metaebene, nämlich die der Rechtsinformatik. Gemeinsam mit Erich Schweighofer, Dietmar Jahnel, Peter Mader, Maria Stoiber und vielen anderen organisierte er in diesem Kontext ab 1998 das jährlich stattfindende Internationale Rechtsinformatik Symposion in Salzburg (IRIS), eine mittlerweile überaus renommierte Veranstaltung, die Expertinnen und Experten aus aller Welt zusammenbringt, um aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der Rechtsinformatik zu diskutieren.

Seine breit gefächerten Interessen und seine Leidenschaft für verschiedene Disziplinen haben Friedrich Lachmayer zu einem Transdisziplinarität verkörpernden Gelehrten gemacht, der in der juristischen Fachwelt und darüber hinaus große Anerkennung und Respekt genießt. Die vorliegende Publikation ist daher eine Hommage an eine außergewöhnliche Karriere und ein bemerkenswertes Engagement. Die darin enthaltenen Beiträge namhafter Expertinnen und Experten versuchen, das breite Spektrum seines Wirkens widerzuspiegeln und einen tieferen Einblick in einige der Themen zu geben, die ihm am Herzen liegen. Von der Rechtsinformatik über die Legistik und die Rechtstheorie bzw. Rechtsphilosophie bis hin zur Visualisierung und Semiotik berühren die thematischen Blöcke dieses Buches daher die vielfältigen Facetten seines Schaffens.

Es ist uns eine große Ehre und Freude, dieses Buch vorlegen zu dürfen, das nicht nur das beeindruckende Werk Friedrich Lachmayers würdigt, sondern auch einen Beitrag zur Erweiterung der Grenzen der Rechtserkenntnis leisten möchte.

Die Herausgeber
Günther Schefbeck, Hanna Maria Kreuzbauer, Meinrad Handstanger


In eigener Sache:

Vorwort
Friedrich Lachmayer in persönlichen Zeugnissen
Günther Schefbeck
Günther Schefbeck
Publikationsverzeichnis Friedrich Lachmayer
Rechtsinformatik
Der singularistische Rechtsdämon
Peter Ebenhoch
Peter Ebenhoch
Der Beitrag untersucht, ob rechtliche Singularität nach Alarie möglich ist. Seine spekulativen Argumentationsmuster entziehen sich durch Verweis auf die Zukunft wissenschaftlicher Bewertbarkeit. Rechtliche Singularität ist nicht möglich. Sie zielt auf transhumane Dystopien, die demokratische Transparenz und rechtliche Grundwerte einer digitalen Autokratie opfern. Nur Menschen können durch geteilte Subjektivität rechtliche Objektivität herstellen. Ausgaben von KI-Systemen sind wegen Realitätsblindheit, fehlender Nachvollziehbarkeit und des erratischen Charakters vorsichtig zu behandeln. Sie können als «abjektiv» bezeichnet werden und erfordern eine umsichtige Regulierung.
Neue Kommunikationsformen für den Dialog Wissenschaft und Praxis
Stefan Eder
Stefan Eder
Dieser Aufsatz behandelt verschiedene Aspekte des Einflusses moderner Kommunikationsformen auf den wissenschaftlichen Diskurs, den Informationsaustausch sowie die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Veränderung der Formen und Foren für wissenschaftliche Publikationen durch die digitale Transformation. Weiters wird diskutiert, wie diese Entwicklungen den Charakter und das Ausmaß der Wahrnehmung wissenschaftlicher Forschung und ihre praktische Relevanz beeinflussen. Die fortgeschrittene Integration von Social Media ins Berufsleben zeigt einen positiven Einfluss auf den Zugang zu Informationen und die Teilhabe am wissenschaftlichen Diskurs durch eine breite Öffentlichkeit. Dies führt dazu, dass ein barrierefreier und diverser Zugang zu wissenschaftlicher Information und Daten möglich wird, was wiederum den Diskurs und den Austausch mit der Praxis belebt.
Die Ausweitung des Systems „E-Recht“ auf alle Parlamentarischen Materialien in der Bundesgesetzgebung
Wolfgang Engeljehringer
Wolfgang Engeljehringer
Nach der Etablierung des Systems „E-Recht“ zur durchgängigen elektronischen Unterstützung des Verfahrens der Bundesgesetzgebung sind verschiedene, nicht von Anfang an berücksichtigte Kategorien Parlamentarischer Materialien, auch solche, die nicht in Verbindung mit dem Gesetzgebungsverfahren stehen, in dieses System integriert worden. Im Interesse einer umfassenden Rückdokumentation des parlamentarischen Verfahrens sind auch historische Parlamentarische Materialien durch Scannen retrodigitalisiert und der Öffentlichkeit online zur Verfügung gestellt worden.
Von der Bedeutung des Netzwerk(en)s in der frühen Rechtsinformatik in Österreich
Nikolaus Forgó
Nikolaus Forgó
Markus Holzweber
Markus Holzweber
Mit dem zunehmenden Einsatz der EDV in Unternehmen, Universitäten und Verwaltung ab den 1950er Jahren stellten sich früh Fragen der Verbindung von EDV und Recht. Interdisziplinäre Projekte wie das EDV-Versuchsprojekt Verfassungsrecht bündelten Kräfte und leisteten wichtige Vorarbeiten zu späteren erfolgreichen Projekten, wie dem Rechtsinformationssystem des Bundes. Die damalige Offenheit gegenüber Neuem und die Experimentierfreude ist mit dem beruflichen Wirken Friedrich Lachmayers eng verbunden, der schon damals fruchtbare Beziehungen mit wichtigen Proponenten der jungen Rechtsinformatik geführt hat. Eine solche führte auch zur Zusammenarbeit mit Leo Reisinger. Gemeinsam unternahmen sie Anstrengungen, rechtsinformatische Fragen zu thematisieren und zu untersuchen und somit auch das Profil einer Disziplin zu etablieren.
Vom Rechtsinformationssystem zum Rechtstransformationssystem
Felix Gantner
Felix Gantner
Die Entwicklung von juristischen Informationssystemen gehörte von Anfang an zu den zentralen Aufgaben und Herausforderungen für die Rechtsinformatik. In diesem Zusammenhang wurde auch intensiv diskutiert, was „Objektivität“ in Bezug auf Rechtsinformationssysteme bedeutet. Die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der KI führen zu einer neuen Art von juristischen Anwendungen, die als Rechtstransformationssysteme bezeichnet werden können und deren „Objektivität“ nicht mit jener von Rechtsinformationssystemen übereinstimmt. Eine Diskussion über die Auswirkungen auf die Methoden der Rechtsinformatik ist daher notwendig.
Rechtsinformation, Rechtsdatenbanken & ChatGPT: Eine erste Einordnung
Anton Geist
Anton Geist
Rechtsdatenbanken haben sich als unabdingbare Hilfswerkzeuge der juristischen Wissenschaft und Praxis etabliert. ChatGPT zeigt eindrucksvoll Entwicklungslinien für Rechtsdatenbanken auf und hat darüber hinaus auch eigene Anwendungsbereiche im Bereich der Rechtsinformation. Der Beitrag liefert eine erste Einordnung für einen sinnvollen, aber kritischen Umgang mit der Technologie.
Justiz 3.0
Christian Gesek
Christian Gesek
Martin Schneider
Martin Schneider
Martin Hackl
Martin Hackl
Thomas Gottwald
Thomas Gottwald
Der Einsatz von Technologie verändert die Abläufe in der österreichischen Justiz mittlerweile seit über 40 Jahren. Richtet man den Blick auf die gesamte Rechtsbranche, so zeigen sich auch klare Parallelen in den damit verbundenen Evolutionsschritten von Legal Tech. Mit der strategischen Initiative Justiz 3.0 arbeitet das Bundesministerium für Justiz unter enger Einbeziehung der Praxis nun seit 2013 an vollständig digitalen Arbeitsabläufen sowie an den dafür notwendigen IT-Arbeitsplätzen. Der Artikel bietet einen Einblick in den Status quo der Digitalisierung in der Justiz, einen Ausblick auf künftige Entwicklungen sowie den dazu korrespondierenden strategischen Überlegungen.
IT-Projektmanagement by Datenschutz-Folgenabschätzung
Walter Hötzendorfer
Walter Hötzendorfer
Gemäß Art. 35 DSGVO ist in Bezug auf besonders risikogeneigte Formen der Verarbeitung personenbezogener Daten vorab eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchzuführen. Im vorliegenden Beitrag wird vorgeschlagen, anstatt die DSFA – wenn überhaupt – als nachgelagertes Teilprojekt eines Entwicklungsprojekts zu betrachten, den Prozess der Durchführung einer DSFA organisatorisch ins Zentrum der Entwicklung des gesamten Datenverarbeitungssystems zu stellen und das gesamte Entwicklungsprojekt aus dem DSFA-Prozess heraus zu managen, um auf diese Weise insbesondere den Informationsfluss und die Effizienz im Gesamtprojekt zu verbessern.
RIDAonline
Dietmar Jahnel
Dietmar Jahnel
Dieser Beitrag behandelt die scheinbar «banale» Recherche nach Normzitaten in Rechtsdatenbanken. Dabei wird im Detail gezeigt, wie bei der Datenerfassung für RIDAonline die Problematik der uneinheitlichen Abkürzungen von Bundesgesetzen, Landesgesetzen und EU-Rechtsakten sowie der Suche nach Absätzen und Ziffern von Gesetzen gelöst wird.
Legal Tech in Österreich 2023
Sophie Martinetz
Sophie Martinetz
Das Legal Tech Barometer von Future-Law bietet eine aktuelle Bestandsaufnahme der Legal Tech-Szene in Österreich im Jahr 2023. Die Studie zeigt, dass die Corona-Pandemie zu einer verstärkten Nutzung digitaler Produkte im Rechtsbereich geführt hat. Die meisten Befragten sind der Meinung, dass Kanzleien, die innovative, digitale Tools verwenden, ihren Klienten einen besseren Service bieten können. Insgesamt zeigt das Legal Tech Barometer, dass Legal Tech in Österreich wächst und Potenziale für die Zukunft bietet.
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens als Herausforderung für die Demokratie
Reinhard Riedl
Reinhard Riedl
Die demokratischen Institutionen müssen die digitale Transformation des öffentlichen Sektors adäquat steuern und dabei Gestaltungsmacht demonstrieren, um nicht ihre Legitimation einzubüssen. Gleichzeitig müssen sie damit fertig werden, dass in «Filter Bubbles» / Filterblasen Verschwörungstheorien und andere eigenwillige Welterklärungen verbreitet werden. In diesem Beitrag werden diese beiden Herausforderungen exemplarisch anhand zweier Problemfelder im Kontext des Gesundheitswesens untersucht.
„E-Recht“ – Friedrich Lachmayer als Pionier der elektronischen Rechtsetzung
Günther Schefbeck
Günther Schefbeck
Wenn die Republik Österreich mit dem System „E-Recht“, einem Workflowsystem zur durchgängigen elektronischen Unterstützung des Prozesses der Gesetzgebung des Bundes, im internationalen Vergleich eine Pionierrolle in der elektronischen Rechtsetzung eingenommen hat, dann ist das insbesondere Friedrich Lachmayer zu danken, seinem rechtsinformatischen Wissen, seiner Projekterfahrung, seinem konzeptiven Geist, seinem Blick für den rechten Moment und seinem Gespür für menschliche Befindlichkeiten. Seit 1. Jänner 2004 wird das Bundesgesetzblatt authentisch elektronisch veröffentlicht. Friedrich Lachmayer hat mit „E-Recht“ ein System hinterlassen, das bis heute erfolgreich und im Grundansatz unverändert verwendet wird.
Der Personenbezug von IP-Adressen
Michael Sonntag
Michael Sonntag
Ob IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen bzw. welcher Person eine solche in einem konkreten Fall zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, sind häufig gestellte Fragen. Dieser Beitrag stellt die in den letzten Jahren deutlich komplexer gewordene technische Seite dar (IPv6 und Übergangstechniken, Carrier-Grade NAT etc.) und erläutert wichtige sowie aktuelle Urteile. Als Ergebnis kann festgestellt werden, dass es inzwischen sehr viel mehr auf die Einzelfalls-Umstände ankommt, dass aber IP-Adressen generell personenbezogen sind und vielfach eine Identifikation des Ursprungs-Gerätes (aber eher selten eine der dieses benutzenden Person) möglich ist.
Symbole und Muster: Erinnerungen an Gespräche mit Friedrich Lachmayer
Hannes Stefko
Hannes Stefko
Friedrich Lachmayers grundsätzliche Überlegungen über das Wesen von Symbolen eröffnen nicht nur visionäre Konzepte, beispielsweise für die Entwicklung einer allgemeingültigen Zeichensprache, sondern geben auch Anregungen für die praktische Arbeit mit Symbolen im industriellen Zusammenhang. Suchmuster in der KI-basierten Bildverarbeitung können Ähnlichkeiten mit Suchmustern in der Textverarbeitung aufweisen; daraus können Symbole entstehen.
Entwicklung der Findok 2000–2023
Angela Stöger-Frank
Angela Stöger-Frank
Die Finanzdokumentation ist das Rechts- und Fachinformationssystem des österreichischen Finanzressorts. Zunächst 2000 als Projektbetrieb für das Intranet mit dem Namen „Elektronische SteuerErlassDokumentation (ESED)“ gestartet, steht die FINDOK seit Mai 2006 als kostenlose Plattform im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung: http://www.bmf.gv.at oder direkt http://findok.bmf.gv.at/findok. Info-Symbole, Hyperlinks, spezielle Anmerkungen, Navigation zwischen Zeitschichten, Komposita-Zerlegung etc. gewähren eine effiziente Suche und eine rasche Durchsicht der Findok-Dokumente.
Das RIS im Wandel der Zeit
Helmut Weichsel
Helmut Weichsel
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) wurde Anfang der 1980er Jahre im Bundeskanzleramt entwickelt, wobei es anfangs nur für einige Behörden und Gerichte zugänglich war. Seit Juni 1997 ist das RIS für die Allgemeinheit im Internet (www.ris.bka.gv.at) verfügbar und hat sich als eine sehr stark genutzte Anwendung etabliert. Dieser Artikel beschreibt in Grundzügen die Entwicklung des RIS seit den 1980er Jahren und gibt einen Ausblick auf geplante Erweiterungen.
Die Anfänge der Rechtsinformatik in Österreich
Arthur Winter
Arthur Winter
Die Anfänge der Rechtsinformatik im Österreich reichen in die 1970er Jahre zurück, als mit dem „Versuchsprojekt Verfassungsrecht“ im Bundeskanzleramt die Nutzungsmöglichkeiten der Informationstechnik für die Rechtsdokumentation ausgelotet wurden. Wesentliche Entwicklungsschritte waren in weiterer Folge die Einführung des Rechtsinformationssystems RIS und des Systems „E-Recht“ zur elektronischen Unterstützung des Gesetzgebungsprozesses des Bundes. An allen diesen Projekten hat Friedrich Lachmayer in maßgeblicher Funktion mitgewirkt.
Legistik
Die Klagenfurter Legistik-Gespräche und die Elektronisierung der Landesgesetzblätter
Simon Korenjak
Simon Korenjak
Von 2003 bis 2013 bildeten die Klagenfurter Legistik-Gespräche ein Gesprächsforum für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der legistischen Dienste des Bundes und der Länder. Ein Themenschwerpunkt war die Elektronisierung der Landesgesetzblätter und die rechtlich verbindliche Kundmachung im RIS.
Die Entwicklung der eLEGISTIK in der Steiermark
Renate Krenn-Mayer
Renate Krenn-Mayer
Die Einführung elektronischer Legistik im Land Steiermark erfolgte schrittweise: Nachdem das konsolidierte Landesrecht bereits 1997 und das nicht authentische Landesgesetzblatt 2004 im Rechtsinformationssystem des Bundes verfügbar gemacht worden waren, folgten die Systeme PALLAST („Papierloser Landtag“) 2005 und ERS („Elektronische Regierungssitzung“) 2010. Mit dem ELAK („Elektronischer Akt“) war ab 2012 ein durchgängiger elektronischer Produktionsprozess für Landesgesetze gewährleistet. Seit 2014 wird das Landesgesetzblatt authentisch im RIS kundgemacht und werden auf Dokumentebene eigene IT-Tools bei neuen Gesetzesentwürfen verwendet. Den Rahmen für die elektronische Rechtsetzung gibt das Legistische Handbuch der Steiermark.
Automatisierungstaugliche Gesetze als Grundlage für digitale Verwaltung
Peter Parycek
Peter Parycek
Anna-Sophie Novak
Anna-Sophie Novak
Verena Schmid
Verena Schmid
Digitale Verwaltung hat in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt und wird als wesentlicher Faktor für die Modernisierung und Effizienzsteigerung der öffentlichen Verwaltung gesehen. Ein zentraler Aspekt für eine digitale Verwaltung ist, die Automatisierungstauglichkeit von Gesetzen bereits bei der legistischen Arbeit zu berücksichtigen. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie Gesetze in der legistischen Phase des Gesetzgebungsprozesses auf einen automatisierten Vollzug ausgerichtet werden können und welche Bedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung erfüllt sein müssen.
Friedrich Lachmayer und die elektronische Dimension der Legistik
Edmund G. Primosch
Edmund G. Primosch
Innerhalb der Legistik kommt der IT ein instrumenteller Charakter zu. Lachmayers analytischer Blick auf den Rechtsakt macht die möglichen elektronischen Bezüge der Legistik deutlich. Die Strukturierung sowie inhaltliche und formale Standardisierung der legistischen Konzipierung kulminiert in elektronisch verfügbaren „Legistischen Richtlinien“.
Zur Geburt des Gesetzes aus dem Geist der Quadrille …
Josef Souhrada
Josef Souhrada
Gesetzgebung und die Mitarbeit daran ist keine Angelegenheit eines nine-to-five-Jobs. Wer einmal in der Legistik tätig war, weiß um die Anforderungen, die keine zeitlichen Grenzen kennen. Und rechtsferne Gebiete bis zu Kunst und Magie einschließen. Nicht nur, weil sie in parlamentarische Abläufe eingebettet sind, sondern auch, weil sie soziale Kontakte und damit Privatleben, Vertrauen und Verständnis umfassen. Vor dem Hintergrund einiger Jahrzehnte Berufstätigkeit wird hier versucht, Zusammenhänge zwischen der Publikumsquadrille auf einem Ball, legistischen Aspekte und der Wirkung des Jubilars zu behandeln.
Rechtstheorie
„Deutungskampf“
Meinrad Handstanger
Meinrad Handstanger
Normtexte müssen ausgelegt werden, um ihren normativen Inhalt zu erfassen. Friedrich Lachmayer betont in Abgrenzung zur Reinen Rechtslehre von Hans Kelsen den eigenständigen normativen Stellenwert dieser auslegenden Deutungen, die als „Sinnverleihung“ („impositio“) in einem „Deutungskampf“ von Deutung und Gegendeutung stattfinden. Deutungen und Normtexte bilden eine duale Struktur, in der sie sich gegenseitig stabilisieren. Ohne methodengerechte Deutung der Normtexte könnten diese nicht angewendet werden. Eine demokratiefreundlich gekleidete Kritik an der (gerichtlichen) Deutung von Rechtsvorschriften („Juristocracy“) richtet sich letztlich gegen die Rechtsvorschriften selbst. Die Kritik wendet sich gegen die rule of law, zu deren Logik das Zusammenspiel von Rechtsvorschrift und ihrer (gerichtlichen) Deutung zählt.
LBA and HUMAX: A method for moral decision-making
Hanna Maria Kreuzbauer
Hanna Maria Kreuzbauer
Mit diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass moralische Entscheidungsfindung rational optimiert werden kann. Die von der Autorin dazu kurz vorgestellte Methode besteht aus drei Teilen: Erstens, die moralische Entscheidungsfindung. Zweitens, die Methodik der rationalen Rechtfertigung bei der Entscheidungsfindung im Allgemeinen und drittens, deren Anwendungen auf dem Gebiet der Moral. Der zweite Teil basiert auf der Idee der LBA («Least Bad Alternative») und der dritte auf der Idee von HUMAX, d.h. dem «Human Maximum».
Freiheit und Zurechenbarkeit
Alexander Loichinger
Alexander Loichinger
Der Beitrag behandelt die aktuelle Freiheitsproblematik, und zwar unter zwei Kernaspekten: Zum einen kann sich der Mensch in seinem Denken, Fühlen und Wollen, d.h. in seinem kulturellen und gesellschaftlichen Handeln ohne Freiheit nur schwerlich verstehen; zum andern erscheint unter Einbezug neuerer Humanwissenschaften der Begriff ‚bedingter Freiheit‘ angemessen und realistisch.
Die Gesetzesauslegung als (re)produktiver Akt
Marijan Pavčnik
Marijan Pavčnik
Im Kontext der normativen Konkretisierung eines Gesetzes (der so genannten Gesetzesanwendung) ist das »Gesetz« nicht ein Symbol für das »Recht«, das man in Bezug auf den konkreten Fall wiederholen könnte. In einem konkreten Kontext ist es immer der Ausleger, 1. der die Möglichkeiten im Gesetz »rekonstruiert«, 2. der diese Möglichkeiten inhaltlich präzisiert (wenn sie im Gesetz unbestimmt sind) und 3. der eine Kombination wählt, die am ehesten mit den rechtlich relevanten Merkmalen eines Lebenssachverhalts übereinstimmt.
Rechtsvisualisierung
Die Rechtsbilddatenbank der Abteilung Rechtsvisualisierung an der Universität Zürich
Colette R. Brunschwig
Colette R. Brunschwig
Das Aufkommen unzähliger digitaler Bilder führt dazu, dass Bilddatenbanken geschaffen werden, in denen diese Bilder gespeichert, gesucht und wieder gefunden werden können. Obwohl der visual turn den rechtlichen Kontext ebenfalls erfasst hat, bieten vorhandene Rechtsdatenbanken grundsätzlich keine Möglichkeit dafür, moderne Rechtsbilder (z.B. Photographien und Videos) aufzunehmen. Mit Ausnahme von Rechtsbilddatenbanken etwa im Bereich der Strafverfolgung existieren meines Wissens keine Rechtsbilddatenbanken für moderne Rechtsbilder. Es wird daher immer schwieriger, mit der größer werdenden Menge an digitalen Rechtsbildern umzugehen. Außerdem steht der Mangel an Möglichkeiten, Rechtsbilder in Rechtsdatenbanken zu erfassen, im Widerspruch zu ihrer wachsenden Bedeutung. Angesichts dieser Probleme stellt sich die Frage, inwiefern die Rechtsbilddatenbank der Abteilung Rechtsvisualisierung an der Universität Zürich als Vorbild für Rechtsdatenbanken und moderne Rechtsbilddatenbanken dienen könnte. Der vorliegende Aufsatz bezweckt, dieser Frage nachzugehen, was mit sich bringen wird, zuvor die Rechtsbilddatenbank kurz zu porträtieren.
Visualization in the Era of Artificial Intelligence
Hans-Georg Fill
Hans-Georg Fill
Fabian Muff
Fabian Muff
Grosse Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) haben die Verarbeitung natürlicher Sprache revolutioniert, indem sie Texte und Bilder aus textuellen Eingaben generieren. LLMs können ein leistungsfähiges Werkzeug für viele Branchen und Anwendungen darstellen, da sie komplexe Visualisierungen mit minimalem Einarbeitungsaufwand erzeugen können. Ihr Potenzial zur Erzeugung komplexer 2D/3D-Visualisierungen ist noch weitgehend unerforscht. Wir berichten über erste Experimente, die zeigen, dass LLMs in der Lage sind, 2D/3D Visualisierungen zu erzeugen, die für Rechtsvisualisierungen eingesetzt werden können. Für komplexe 2D-Visualisierungen und 3D-Szenen ist noch weitere Forschung erforderlich.
Worte als Zeichen als Visualisierungen als (rechtliches) Programm
Georg Gesk
Georg Gesk
Der Beitrag reflektiert Grundbegriffe des Rechts, wie sie in der chinesischen Kultur in Zeichen ausgedrückt werden. Dabei zeigt sich die Verbindung des Rechts mit schamanistischen Vorläufern unserer Rechtsvorstellungen ebenso wie die Bedeutung schriftlicher Normen für das Recht bzw. für die Frage, wie Recht für eine Gesellschaft verfügbar gemacht werden kann. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu sehen, dass chinesische Schriftzeichen dabei nicht nur eine museale Funktion ausüben, sondern dass sie durch die Konnotation ihrer Bestandteile Diskurse prägen, dass sie auf Grund der Verschränkung von Homophonie und teilweiser Homonymie Diskurse provozieren, die wichtig sind, die aber im europäischen Sprachraum auf Grund der unterschiedlichen sprachlichen (schriftlichen) Gegebenheiten so nicht gestellt werden. Dies soll auf der einen Seite ein Bewusstsein von dem schaffen, was dem europäischen Betrachter auf Grund seiner Unkenntnis der chinesischen Schrift meist entgeht; es soll aber gleichzeitig dazu einladen, sich mit diesen Fragestellungen und mit deren ikonographischen Voraussetzungen näher auseinanderzusetzen. Dass wir dabei Unschärfen (und damit Unzulänglichkeiten) in unserem eigenen Diskurs entdecken können, ist nur ein weiteres Argument dafür, dass es sich lohnt, sich in diesem diskursiven Raum interkulturell zu begegnen.
Zweisprachige Ortstafeln und andere Visualisierungen mehrfacher raumbezogener Identitäten
Peter Jordan
Peter Jordan
Sind hinsichtlich des Schutzes und der Pflege ethnischer und sprachlicher Minderheiten nicht Themen wie der Unterricht in der Minderheitensprache oder die Möglichkeit zur Verwendung dieser Sprache bei Gericht und in Ämtern wichtiger als zweisprachige Ortstafeln? Warum entzünden sich an ihnen so oft Konflikte um ethnische und sprachliche Minderheiten? Der Beitrag geht diesen Fragen nach, indem er zunächst allgemein auf die Bedeutung geographischer Namen für die Verbindung von Mensch und Raum, auf ihre besondere Bedeutung für sprachliche Minderheiten und schließlich auf die offensichtlich herausragende Wirkung der Visualisierung von Minderheitennamen auf Ortstafeln eingeht und dafür Gründe im Vergleich mit anderen Visualisierungen mehrfacher raumbezogener Identitäten im öffentlichen Raum und in Karten und Texten nennt.
Gesetzgebung als Puzzle – was, wenn die Teilchen nicht passen?
Sabine Kilgus
Sabine Kilgus
Cordula Niklaus
Cordula Niklaus
Caroline Walser Kessel
Caroline Walser Kessel
Der Jubilar hat sich während seiner langen Karriere wiederholt mit Fragen der Gesetzgebung, aber auch mit Fragen der Legitimation und der Darstellung des Rechts in Wort und Bild auseinandergesetzt. Der nachfolgende Beitrag versucht anhand dreier Beispiele des Schweizer Rechts in Schrift und Bild aufzuzeigen, vor welchen Herausforderungen der Gesetzgeber und die klassische Lehre der Gesetzgebung steht, um der Komplexität von Sprache, Inhalt und Umsetzung internationaler Regelwerke gerecht zu werden. In diesen drei ganz unterschiedlichen Beispielen (Geldwäschereibekämpfung, Datenschutz, Betreuungsregelungen in Scheidungen) zeigt sich, dass der Gesetzgeber aus diesen Gründen Schwierigkeiten bekundet, kohärent zu legiferieren.
Plädoyer für den Einsatz von Visualisierung in der anwaltlichen Beratungspraxis
Hermann Schwarz
Hermann Schwarz
Dank moderner Computertechnologie halten bildgebende Verfahren in beeindruckender Weise Einzug in zahlreiche Disziplinen, allen voran Medizin und Technik. Dies bedeutet nicht nur für Laien und auch Fachleute einen ganz neuen, mit erheblich verbesserter Verständlichkeit verbundenen Zugang, sondern eröffnet noch nie dagewesene Möglichkeiten; in der Medizin etwa den Einsatz von chirurgischen Displays, ganz neue Operationstechniken und dgl. mehr. Es liegt nahe, die neuen technischen Möglichkeiten auch für das juristische Arbeiten nutzbar zu machen. Dieser Beitrag zeigt anhand von grundsätzlichen Überlegungen zu den Aufgaben des Rechtsanwalts auf, inwieweit der in der anwaltlichen Beratungspraxis derzeit noch spärliche Einsatz von Visualisierung einen „Mehrwert“ für den Klienten darstellen würde.
Semiotik
Magie – Hexenkünste – Zauberei
Gloria Withalm
Gloria Withalm
Die Beschäftigung mit Magie und Hexenkünsten hat in der Literatur eine sehr lange Tradition. Auch in rezenten Medientexten finden wir unzählige Hexen und andere übernatürliche Wesen – verstärkt seit der Mitte der 1990er Jahre. Ausgehend von einem Konzept des italienischen Semiotikers Ferruccio Rossi-Landi werden magische (Zeichen-)Prozesse und ihre Darstellung in audiovisuellen und literarischen Texten der letzten knapp 30 Jahre einer semiotischen Betrachtung unterzogen. Es geht dabei um Zaubersprüche, um Instrumente wie den Zauberstab, bis zu körperlichen Veränderungen sowohl der Hexen selbst wie deren Zielpersonen. Es ist nicht Ziel dieses Geburtstagsbeitrags, Friedrich Lachmayer als Hexenmeister oder als Zauberer zu apostrophieren. Allein, aus vielen Gesprächen weiß ich von seinem Interesse an diesen Themen. Da ich fachfremd bin, kann ich seine juristische Textproduktion kaum beurteilen. Aber ich kenne unzählige seiner Visualisierungen von Konzepten und Texten, und diese haben zweifellos in ihrer Eindringlichkeit und Unmittelbarkeit eine besondere magische Qualität.
Bildende Künste
Künstliche Intelligenz in der Rechtsinformatik: weiblich, multikoloriert, buddhistisch
Beate Maier-Glück
Beate Maier-Glück