30. März 2023

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Sehr geehrte Leser*innen

Diese Ausgabe setzt den Fokus auf die Themen KI und Recht sowie E-Justice mit Tagungsbeiträgen des Internationalen Rechtsinformatik Symposions (IRIS). Des Weiteren beinhaltet sie auch Beiträge zu den Themen IP-Recht (mit u.a. dem eingeladenen Vortrag von Clemens Thiele am IRIS) und Datenschutz.

Die TechLawNews von Ronzani und Schlauri Attorneys setzen den Fokus auf Open-Source-Software.

Die nächste Ausgabe erscheint im April, u.a. mit Beiträgen zu E-Commerce und Datenschutz.

An dieser Stelle wieder ein Programmhinweis: Seit Januar läuft die neue BrownBag-Webinar-Themenreihe «ChatGPT und die Rechtswelt». Auf unserer ChatGPT-Themenseite finden Sie die Aufzeichnungen der vergangenen Webinare sowie die Hinweise auf zukünftige Webinare. Auch am Weblaw Forum LegalTech am 15. Juni 2023 wird Generative AI ein wichtiges Thema sein.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

Editions Weblaw

AI & Recht

Voraussetzungen für eine praxistaugliche, KI-gestützte Anonymisierung an Gerichten und Verwaltungen
Das Thema Künstliche Intelligenz ist noch immer stark durch seinen akademischen Ursprung geprägt. Dasselbe gilt auch für Künstliche Intelligenz im Rechtswesen: Was unter klinischen Bedingungen hervorragend funktioniert, besteht die Feuertaufe in der Praxis selten. Eine KI-gestützte Anonymisierungslösung für Gerichte und Verwaltungen drängt sich auf, doch welche Punkte müssen erfüllt sein, damit diese unter realen Bedingungen eine erhebliche Zeitersparnis bei der Anonymisierung von Gerichts- und Verwaltungsentscheiden ermöglicht? Dieser Aufsatz beschreibt die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren, damit eine KI-gestützte Anonymisierung tatsächlich funktionieren kann: Zeitersparnis, Anpassbarkeit und Datenschutz. Er fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus jahrelanger Entwicklung und repräsentativen Praxistests zusammen. Andrea Schmidheiny Konic, Bojan Konic

How do you solve a problem like Alexa?
Emotional Artificial Intelligence (EAI) is emerging as a mainstream technology. With the increasing use of EAI in different sectors, novel legal and ethical concerns are being raised. This paper focuses on an entertainment and creative content delivery recommendation system application, namely Amazon Alexa’s use of Neural-Text-to-Speech (NTTS) technology to capture and respond to users’ perceived emotions based on their voice. It also enables Alexa to play music based on, among other elements, its perception of users’ emotions. Given the recognised impact ‘music‘ has on emotions and Alexa‘s increasing involvement with big music sector actors, we are particularly concerned about how this domain can enable the manipulation of users. We use this example to highlight problems with the approach to AI regulation taken in the proposed EU Artificial Intelligence Act (AIA). Ayça Atabey, Burkhard Schafer, Lachlan Urquhart

AI tools for sustainability
People struggle with complex information everywhere: policies and prospectuses are too long, contracts and regulatory requirements confuse, and companies are required to report more and more information. Legal Design tries to tackle these problems by making information more comprehensible. AI tools, such as Open AI’s GPT-3, open up new opportunities to make readers’ and writers’ tasks easier. This paper considers how GPT-3 can help transform sustainability reporting, investment disclosures and contracts so that people and businesses can better understand their rights and obligations, address the causes of ESG problems, and monitor and strengthen sustainability. Marika Salo-Lahti, Mikko Ranta, Helena Haapio

Automatische Anonymisierung von Gerichtsurteilen
Seit über zwei Jahren arbeiten wir im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz an rechtlichen und technischen Fragen zur Möglichkeit einer automatischen Anonymisierung von Urteilen. Nach den bisherigen Ergebnissen scheint es nun im Bereich des Möglichen zu liegen, mit maschinellen Verfahren vollautomatisch Gerichtsurteile zu anonymisieren. Die dabei erreichte Breite und Tiefe der maschinell durchgeführten Anonymisierung bietet einen Schutz vor Deanonymisierung, der mindestens so hoch erscheint wie die bisherige manuelle Anonymisierung in den Justizverwaltungen in Deutschland. Hier werden die bisherigen Ergebnisse und der von uns entwickelte Prototyp vorgestellt. Axel Adrian, Nathan Dykes, Stephanie Evert, Philipp Heinrich, Michael Keuchen

Der Tammelo-Klinger-Baumkalkül
Die sog. Gegenformelmethode (GFM) ist ein von I. Tammelo und R. Klinger am Ende der 1960er Jahre entwickeltes syntaktisches Verfahren für Systeme der klassischen Logik. Dabei handelt es sich um einen „unverzweigten“ Baumkalkül, der den Entwicklern zufolge die praktischen Ansprüche des Rechtsdenkens erfüllen kann. Der Beitrag diskutiert die logischen bzw. rechtstheoretischen Vorteile der GFM sowie einige Aspekte ihrer Entstehungsgeschichte. Ein neuer Adäquatheitsbeweis für die GFM bzgl. der Aussagenlogik wird formuliert. Diogo Campos Sasdelli

Punishment extraction from Dutch criminal cases in courts of first instance
This paper explores the merits of a pattern- and rule-based approach for the automated extraction of punishments from Dutch criminal cases in courts of first instance. Automated extraction of case outcomes leverages the increasing amount of information becoming available through digital technologies and aids the creation of big data sets for work in legal informatics and AI & Law. This work addresses domain-specific challenges, in particular that Dutch criminal case decisions may impose a single combined sentence for multiple facts or impose multiple sentences in the same decision. Manual evaluation of the developed method shows that the use of interpretable methods is a viable approach in the legal domain. Edwin Wenink, Johan Kwisthout, Tom van Engers

Smart Laws & Legislation – V01
Einige Rechtsnormen betreffen Rechenregeln (z.B. im Steuer-, Sozialversicherungs-, Arbeitszeitrecht), die unterschiedliche Akteure zum Teil unterschiedlich in Software abbilden. Der Ansatz Smart Laws & Legislation versucht die Abbildung und Nutzung von Recht in Software von der Rechtssetzung an, über die Rechtsanwendung bis hin zur Rechtsprechung zu verbessern. Zentrale Elemente sind der systematische Umgang mit Referenzfällen im Zusammenspiel mit Referenzrechnern, deren Zugänglichkeit und Begründungen als Teil der Fälle/Rechner. Ziel ist eine erheblich erleichterte Rechtsanwendung bei geringem (ggf. auch nur anfangs erforderlichem) Mehraufwand im Zuge der Rechtssetzung. Johannes Gärtner, Felix Gantner

Using transformers to multi-label long legal documents
This paper describes experiments to find an efficient method to multi-label official legal documents using Transformers. Transformers are popular and powerful ML models because they are pre-trained on large amounts of data. A significant drawback is that most Transformers cannot process documents longer than 512 tokens. We try to tackle this issue by proposing a new method to multi-label long documents – summarizing long documents first before multi-labeling with the bert-base-cased Transformer. This summarization method is compared with two existing methods: truncating documents after the first 512 tokens and Longformer. The methods are evaluated on the F1 score, and the results show that the Longformer performs the best. The summarization method and truncating method seem to output almost equal F1 scores. Although the summarization method did not perform well on the dataset used in this research, it could be promising for datasets with more structured documents. Hanane el Aajati, Roderick Lucas, Radboud Winkels

Clustering commercial obstacles in the European Data Legislation
Für Unternehmen ist die Beachtung der steigenden Vielfalt europäischer Gesetzgebung im digitalen Bereich komplex. Dieser Artikel analysiert die großen administrativen Hürden für Unternehmen, die sich durch die Datenschutz-Grundverordnung, den Data Governance Act, den Digital Service Act und den Data Act ergeben, und stellt diese in vier thematischen Gruppen dar: Informationsfreigabepflichten, Infrastruktur und Kapazitätsbereitstellungspflichten, Marktmacht-Balancierungspflichten, und Unternehmensführungs- und Governance-Pflichten. Von dieser neuartigen Perspektive ausgehend identifiziert dieser Artikel fünf potentielle negative Folgen für Unternehmen die durch Beachtung der gegenständlichen Gesetzgebung herbeigeführt werden droht. Maximilian Gartner, Dino Girardi, Monica Palmirani

KI-Systeme in der Verkehrsinfrastruktur
Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz stellen sich zentrale Fragestellungen für die Haftung von KI verursachten Schäden, für die das aktuelle Haftungsregime de lege lata keine eindeutigen und klaren Antworten bereithält. Durch die Überarbeitung der EU-Produkthaftungsrichtlinie und die Einführung einer eigenen KI-Haftungsrichtlinie soll mehr Rechtsicherheit insbesondere für durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz entstandene Schäden geschaffen werden. Dieser Beitrag soll deshalb die europäische Modernisierung des EU-Haftungsrechts darstellen und auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich der Tunnelsicherheit Bezug nehmen. Jakob Zanol, Jessica Fleisch, Hendrik Wahl, Martin Latzenhofer, Arndt Bonitz, Harald Kammerer

E-Justice

Legal Tech im Richterzimmer?
Deutsche Amtsgerichte im Einzugsgebiet von Großflughäfen ächzen unter der Klagelast wegen Flugverspätungen. Während es für LegalTech-Anbieter ein Leichtes ist, mithilfe von automatisierten Systemen die voraussichtliche Begründetheit einer Flugverspätungsklage vorherzusagen und eine entsprechende Klage zu erheben, entscheiden Richterinnen und Richter der betroffenen Amtsgerichte – schon von Gesetzes wegen – durch „manuelle“ Prüfung. Der Begriff der „Waffengleichheit im Zivilprozess“ bekommt hierdurch eine völlig neue Facette: In Frage steht nicht die formelle Gleichheit von Klägerin und Beklagtem; in Frage steht vielmehr die technologische Gleichheit von Parteien und Gericht. Der Beitrag führt Wissenschaft und Praxis am Beispiel des KI-Einsatzes bei Flugverspätungsklagen zusammen und zeigt auf, dass der Einsatz von KI in der Ziviljustiz gleichermaßen Chancen und Risiken birgt. Ulla Wessels, Andreas Sesing-Wagenpfeil, Matthias Biniok, Felix Kares, Lena Kästner, Markus Langer, Christian Metz, Tatyana V. Peshteryanu

Das Basisdokument geht ins Reallabor: zur Evaluation des Einsatzes bei Gericht
Im Kontext der bereits länger andauernden Diskussion um den strukturierten Parteivortrag im deutschen Zivilprozess haben wir seit 2021 Prototypen für ein elektronisches Basisdokument entwickelt. Darauf baut ein gemeinsames Forschungsprojekt der Universität Regensburg, des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und des Niedersächsischen Justizministeriums auf, in dem die Strukturierung des Parteivortrags mittels elektronischen Basisdokuments in einem Reallabor erprobt wird. In diesem Beitrag diskutieren wir, wie das Vorhaben evaluiert werden könnte. Im Zentrum stehen dabei einerseits die Vorstellung und Diskussion möglicher Methoden, andererseits die Auseinandersetzung mit dem übergeordneten regulatorischen Erkenntnisinteresse bezüglich der Weiterentwicklung der Zivilprozessordnung in Hinblick auf Strukturvorgaben im Parteivortrag im deutschen Zivilprozess unter den Rahmenbedingungen der Digitalisierung. Christoph Althammer, Jens Bauer, Victoria Böhm, Jakob Fehle, Bettina Mielke, Christian Wolff

Technikakzeptanz für Legal Tech am Beispiel des Basisdokumentes für den strukturierten Parteivortrag
Auf den 2021 entwickelten Prototypen für ein elektronisches Basisdokument aufbauend wurde eine Studie zur Technikakzeptanz bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durchgeführt, deren primäres Ziel die Erhebung qualitativer Daten zur Einschätzung dieses Konzeptes durch die Studienteilnehmer war. Auf der Basis semistrukturierter Interviews wurden Anwältinnen und Anwälte befragt und die Transskripte der Interviews nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Der Beitrag stellt die dabei ermittelten Kategorien und die wesentlichen Ergebnisse vor. Victoria Böhm, Alexander Gebhard, Bettina Mielke, Christian Wolff

“The making of law”: technological and organizational changes in courthouses in the context of Uni4Justice
Digitalization is not an easy endeavour neither for public institutions nor for enterprises, addressing many heterogeneous issues. In this contribution, we present the design of our research, focused on the digitalization within the Italian courthouses, which is part of the wider national project “UNI4JUSTICE”. Specifically, we aim at addressing (1) the epistemic background required to rethink the processing of legal documentation in a digital environment; (2) the organisational changes required and possible best practices in the interaction among humans and artificial agents; (3) the legal challenges emerging from (1) and (2). Federico Costantini, Francesco Crisci, Rubina Romanello, Manuele Dozzi, Andrea Del Vecchio, Rachele Ristori

IP-Recht

„Fair Use“ im IP-Recht
Die im US-Copyright Act verankerte „doctrine of fair use“ erlaubt eine angemessene Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials zu bestimmten, im Allgemeininteresse liegenden Zwecken. Die Ausdehnung dieses Rechtsgedankens auf andere Schutzrechte des Geistigen Eigentums, namentlich das Marken-, Patent- oder Designrecht ist durchaus selbst in den USA umstritten. Der vorliegende Beitrag, der auf die Keynote Speech der IRIS 2023 zurückgeht, erörtert in rechtsvergleichender Weise die Funktion dieser „immaterialgüterrechtlichen Generalklausel“. Es wird versucht anhand konkret entschiedener Fälle zu analysieren, ob und inwieweit die Doktrin der fairen Nutzung auf das IP-Recht der EU und das ihrer Mitgliedstaaten zu übertragen Sinn macht bzw. ob nicht bereits funktionsgleiche Rechtsdogmen bestehen. Clemens Thiele

New developments in the EU concept of copyrighted works
In the paper, the author discusses the recent developments of the EU concept of copyrighted works in the EU legislation and CJEU case law. First, the author discusses several CJEU decisions and addresses the issue of the 'expression' of the work and its 'sufficiently precise and objective identifiability'. Afterwards, the author comments on the reasoning of the CJEU's judgment in Brompton Bicycle case and concludes that a work which the senses can simply perceive may still need to be 'sufficiently precise and objectively identifiable'. Therefore, the requirement of 'expression' is primarily directed towards the requirement of materialization of the copyrighted work, while the requirement of 'sufficient precision and objective identifiability' is directed towards the exclusion of those elements that are too subjective or vague so that they undermine the legal certainty of other subjects that are obliged to respect copyright related to the subject matter in question, as well as of the authorities enforcing copyright protection. Pavel Koukal

The development and harmonisation of originality standard of photographic works in the copyright framework of the European Union
The presented paper aims to assess and further explore the potential effects the jurisprudence of the Court of Justice of the European Union (“CJEU”) in the area of originality of photographic works might have on various national different understandings of originality itself and also on the provision of copyright protection to the products of photographic labour in each Member State of the EU (“Member State”). It is evident the CJEU with its jurisprudence took on to unify and harmonise different national approaches of the Member States. However, it is still relatively unknown how will the national copyright frameworks of the Member States adjust to the newly proposed rules of protection. Marian Jankovic

Datenschutz

Datenschutzrechtliche Anforderungen an KI-gestützte Plattformen zur Krisenbewältigung
Eine wirksame Methode zur Bewältigung von Krisensituationen erfordert eine schnelle Erfassung und Analyse großer Mengen von Daten, sowie eine effiziente Koordination der an der Krisenbewältigung beteiligten Akteure. Mit den technischen Fortschritten der letzten Jahre eröffnet sich die Möglichkeit, hierzu durch künstliche Intelligenz unterstützte Online-Plattformen einzusetzen. Die im Rahmen solcher Plattformen stattfindenden Verarbeitungen personenbezogener Daten fallen in den Anwendungsbereich der DSGVO. In diesem Kontext diskutiert der vorliegende Beitrag ausgewählte datenschutzrechtliche Fragestellungen, insbesondere die Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern und -benutzern sowie den Grundsatz von Privacy by Design im Bereich der Krisenbewältigung. Thorsten Conrad, Diogo Campos Sasdelli, Nils Wiedemann, Alessia Zornetta

The regulatory landscape for mobility as a service in a Europe fit for the digital age
The digitalisation is transforming all aspects of modern society; it also brings new models and services to urban mobility. Mobility as a service represents such new services based on shared mobility enabled by data driven coordination and optimisation. The new regulatory frameworks on data governance implementing the EU strategy for the digital transformation are currently in final stages of adoption. In our contribution, we seek to provide a timely reflection of the opportunities and limits that are to be set by these legislative acts on the future of mobility as a service in the EU. František Kasl, Pavel Loutocký, Adam Jareš, Veronika Příbaň Žolnerčíková, Martin Erlebach

E-Commerce

Tackling disinformation in the EU: the case of “Truthster”
Tackling disinformation is crucial for the development of the Information Society. To do so it is necessary to empower journalists in the production of trustworthy information, and to nurture an economic ecosystem centred on a secure circulation of contents. In this contribution we present an interdisciplinary approach that aims at (1) finding a balance between freedom of expression and other fundamental rights (i.e., privacy and data protection), (2) developing business models driven by the production of genuine content, (3) exploiting the potentials of distributed ledger systems to provide media certification. Federico Costantini, Francesco Crisci, Silvia Venier, Stefano Bistarelli, Ivan Mercanti

TechLawNews by Ronzani Schlauri Attorneys

Die Open Database License am Beispiel von OpenStreetMap
Michael Dominik Marti, Simon Schlauri

Derivative Works in OSS
Daniel Ronzani

Open-Source-Lizenzen im Konzern
Simon Schlauri

Linking Exceptions under OSS Licenses
Daniel Ronzani